Grenz-Ethnographien: Interview mit Rohit Negi, kritischer Geograph

Was für Auswirkungen zeitigt der Einzug der ausländischen Bergbauinvestoren in Solwezi auf indigene Gemeinschaften, welche Orte bringt der neue Boom hervor?
Rohit Negi (Ohio, Bombay)untersucht, wie der in Afrika Rohstoffe ausbeutende Kapitalismus Orte hier verändert, er erkundet, „how extractive capitalism effects real local places, spatial structural paterns and realities“.
Ausgehend von Michel Foucault, ist der Studie zum Grenzverlauf des internationalen Bergbaugeschäfts ein Vergleich zwischen dem Einsatz alteuropäischer Schulmedizin (Seuchenquarantäne) und zeitgenössischer HIV/Aids-Public Health-Medizin im südlichen Afrika vorgeschaltet.

Um den Orts-Kontext seiner Studie anzudeuten, zitiert Rohit den Präsidenten, der Solwezi „the biggest shanty town“ nannte, als er die Kluft zwischen Boom Entwicklungsrückstand des Bergbaustädtchens feststellte. Wachstum und Risiko (hazard) sieht der Geograph in Solwezi untrennbar verknüpft: Einerseits wäre für die Entwicklung das Dreifache an wirtschaftlicher Leistung nötig, andererseits übersteige schon das jetzige Wachstum sämtliche Planungsfähigkeit der Regierung. Die Ausbreitung der informellen Siedlungen sowie die unzählbaren Neubauten, die j wie d errichtet würden, seien schließlich das krasse Gegenteil jeglicher Stadtplanung. Und dennoch, gemäß sambischer Fortschrittsideen, gelten Minen-Jobs weiterhin als Traumjobs, so dass der Zuzug weiterer Glückssucher gar nicht aufhören könne.
Enklaven und ihr jeweiliges Hinterland charakterisieren, so Negi, die Stellung des extractive capitalism in der Welt. Speerspitze „dieser neue Sorte Kapitalismus“ sind die Rohstoffindustrien (extractive industries), zumal außerhalb der führenden Wirtschaftsnationen.
Im Gegensatz zu deren Inlandsindustrien, etwa innerhalb EU-Europas, sind die Quasi-Niederlassungen der globalisierten Rohstoffindustrie kaum mit der Umwelt („Hinterland“) verbunden, wo sie arbeiten, bezeichnend ist ihre Abgeschlossenheit. Und das erscheint umso bemerkenswerter, wenn wir die Erdverbundenheit, Lokalität, der Rohstoffe – beispielsweise des Kupfers – bedenken. Konflikte zwischen Enklaven und Hinterland (= indigene Gemeinschaften, Einheimische, „Nachbarn“ der Minen etc.) sind so vorprogrammiert.

Offshore, wie Bohrinseln, lagern die Außenposten des Extraktions-Kapitalismus im Rohstoff-Hinterland, wenig lokal verortet, sehr globalisiert in seinen Betriebsabläufen, mannigfache Arbeitsbeziehungen mit vor allem anderen Industrieländern unterhaltend.

Spannung erzeugt unter solchen Umständen die Frage nach der politischen Verantwortung (corporate governance/corporate social responsibility): Entgegen der Systemlogik (extractive capitalism) erwartet man Verpflichtungen – wie sie in Sambia ja nicht zuletzt von den staatlichen od. parastaatlichen Kupferbergwerken immer eingegangen worden waren! Negi betont nun aber ein interessantes Denkmotiv, das die Lage Sambias im Globalisierungsprozess betrifft: die Macht des Kapitalismus in Sambia sei völlig unklar; bei aller Vorrangstellung der Kupferindustrie seien schließlich riesige Gegenden praktisch ohne Verbindung zum Markt und zur Marktwirtschaft; 70% der Bevölkerung lebten getrennt davon: Kapitalismus in Sambia „has never taken off, it´s a dream!“ (Zur Einführung der Systeme fehlten Investitionskapital, Verteilung, Transformation und Zugang der SambierInnen.)

Just in diesem Zwischenraum also erforscht Negi die Wirklichkeit Solwezis – im Sinne einer „unvollständigen Geschichte“, vergleichbar ironischerweise der Offenheit des gigantischen Lumwana-Minenprojekts.

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