April

30.4.07
Amtsgänge sind hier ein Erlebnis eigener Art. Lästerer sagen ja, die Bürokratie gehöre zu den raren Wachstumsbranchen. Um einen zambischen Führerschein ausgestellt zu bekommen, bedarf es Geduld, Gelassenheit und Geld. Ziemlich verloren, wer sich im Gewimmel zwischen den Dutzenden Schaltern, deren jeweiliger Zweck schleierhaft bleibt, ohne Hilfe zurecht finden muss: Dateneingabe, Formularaushändigung, Prüfung der Ausfüllung, Passbild- und Biometriestation, Prüfung des Datensatzes, mehrer Stationen zum Bezahlen. Jede einzelne Erledigung geschieht an gesonderten Schaltern, bei denen man nie weiß, ob sie an diesem Tag geschlossen sind oder gleich wieder besetzt werden. Das Schöne ist abgesehen vom Reiz des Kafkaesken allerdings, dass diese Verkehrsbehörde alle gleich (schlecht) zu behandeln scheint. Beachtlich aber auch die Freundlichkeit oder Höflichkeit der Wartenden, ihre sehr zivilen Umgangsformen erschöpfen selbst in Anbetracht dieser groben Amtszumutung nicht.
Bevor wir im Stau – Straßenabschnitte sind gesperrt, weil Arbeiter für den Tag der Arbeit Dekorationen etc. anbringen – zum nächsten Amt stehen, wo ich eine Befreiung von der Führerscheinprüfung erhalten soll, treffe ich noch auf der Zulassungsbehörde die zwei indischen sisters aus dem Ãœberlandbus von letzter Woche wieder. Regina muss ebenfalls ihren Führerschein verlängern. Wir verabreden uns für Ende Mai im Nordwesten.

28.4.07
Inzwischen nimmt die Austrocknung merklich zu; dort, wo nicht künstlich bewässert wird, tritt der rotbraune Erdboden hervor, saftig grün sind nur noch Buschwerk und Bäume. Luft wie Klima ähneln tagsüber europäischem Spätsommer, August oder September.
Nach Einkauf auf dem monatlichen craft market – der recht spektakulären Attraktion an der Dutch Reform Church, Kabulonga, einem Haupttreffpunkt der „Expatriots“, also sich ständig in Lusaka aufhaltenden Ausländer – gehen wir – sozusagen passend zur Saison – erstmals in Freibad. „Dream Valley“ am Ibex Hill ist hübsch gestaltet, ein angenehmes Freizeitziel der Lusaker, das allerdings wenig bekannt scheint. Zunächst irritiert, dass gar kein Sonnenmilchgeruch in der Luft liegt. In den kleinen Pools schwimmt kaum ein Erwachsener, nur Kinder planschen und wirbeln umher. Sonnenbaden tut hier kein Mensch – ich lege mich trotzdem eine Weile neben eines der Becken. Den Fotografen vertröste ich, erst so braun wie die Anderen werden zu wollen.

27.4.07
Aufmacher der regierungsnahen „Times of Zambia“ (Motto „Forward with the nation“) heute: „China gives Zambia $ 39 million for roads“. Lasse das Blatt vom Zeitungsverkäufer durchs Autofenster reichen. Präsident Mwanawasa lobt die hervorragenden Beziehungen der Länder und dankt dem chinesischen Botschafter für die Hilfe. Wie schon beim Bau der Eisenbahnverbindung nach Tansania leiste China nun große Unterstützung, um die Straßenschäden aus der Regenzeit zu beheben. Zu würdigen sei außerdem die Zusammenarbeit in Landwirtschaft wie Minensektor und überhaupt die „One-China policy“ in Asien.
In der Meinungsglosse daneben findet sich wieder einmal eine Anbiederung an die präsidiale Law-and-order-Politik in Lusaka. Zurecht müssten sämtliche informellen Verkaufsstände aus dem Stadtbild verbannt werden. Die Kapitale des Staates könne keine „illegalen Verkäufer“ dulden: „Un-regulated and chaotic trading does not only spawn filth and squalor but also poses a health danger to the community“. Endlich sei die City von illegalen Strukturen bereinigt, wie es sich – so das Hauptargument – fürs Image einer Hauptstadt zieme („projects an image that is befitting of its statues“).
Zu Mittag mit Counterpart-Chairperson Mr. Kakunta in der Fringilla Lodge verabredet, wo CSPR ein Statistiktraining für seine MitstreiterInnen aus den Provinzen abhält. Solwezis PC ist auch dabei. Zwar scheinen in der Mittagspause alle zu müde, um sich wirklich zu unterhalten. Aber auf der spontan arrangierten gemeinsamen Rückfahrt nach Lusaka gelingt dann doch ein Kennenlernen.

26.4.07
Noch einmal zu Gast beim freien Theater-Festival im „Play House“. Wegen Stromausfall (kommt hier öfters vor) verspätet sich die Aufführung von „Sankhani Moyo“ („Choose Life“) um mehrere Stunden. Doch was die Seka Theatergruppe aus Mfuwe da auf die Bühne bringt, hätte noch längeres Warten belohnt, und die Verschiebung auf den Abend steigerte nur noch die Spannung. Mit soviel Witz, Ironie und Humor in Szene gesetzt, so bildgewaltig, teils pantomimisch, teils kunstvoll akrobatisch (einem „Blue Man“ weit überlegen) waren hier Beziehungsdramen zwischen Tradition und Moderne dargestellt, dass der Theatersaal lange standing ovations entgegnete.

25.4.07
„Firstly the public sector is responsible for supply, since the private sector has failured in many ways“, so die Ausgangsthese eines Ratschlags über „Finanzierung des Zugangs zur Grundversorgung für alle“, veranstaltet durch Friedrich-Ebert-Stiftung und mehrere UN-Unterabteilungen („Financing for Development“ & Int. Poverty Center von UNDP). Insbesondere Länder mit sehr niedrigem Einkommensniveau im südlichen Afrika hatten die Diskutanten im Blick, unter ihnen William Tsimwa Muhairwe aus Uganda (National Water and Sewerage Corporation), der vor allem auf die Vorteile von Wettbewerb, Markt und unabhängiger Unternehmen pochte. Muhairwe sorgte dafür, dass die Konferenzteilnehmer bemerkenswert offen miteinander stritten; gleichviel, ob Regierungs-, Oppositionspolitiker oder etwa Verbrauchervertreter, wie wir diese Stakeholder bei uns nennen würden. Der Referent aus Uganda brachte die richtigen Zuspitzungen: Wasser hat keine Farbe, also soll sich auch die Politik – egal welcher Couleur – aus der Wasserwirtschaft heraus halten! Natürlich will aber keine Firma investieren, wo so große Teile der Bevölkerung Armut leiden. Geberländer, hört auf, mit zweierlei Maß zu messen! Wie kann es sein, dass Good-Governance-Standards den öffentlichen Sektor unter Druck setzen, während ausländische Minenbetreiber fast null Steuern zahlen? Versorgungsunternehmen, wie behandelt ihr eure Kunden? Und bezieht ihr, was ihr braucht, wirklich nicht nur von euren eigenen Brüdern und Verwandten?
Als Tribut an die Höflichkeit entschuldigte sich der Gast aus Uganda zwar am Ende für seine Spitzen (er sei eben nur ein Fremder). Aber die challenges taten ihre Wirkung – um so mehr, als Moderator Peter Henriot einmal mehr sein kommunikatives Genie unter Beweis stellte. Es ging eine solche Sogwirkung von der Debatte aus, dass sich ihr niemand zu entziehen vermochte. (Die oft zitierte Regel der Kritikmeidung, also den Kontrahenten öffentlich zu schonen, damit er sein Gesicht wahre, scheint – gelinde gesagt – im Wandel begriffen.)
Was den Veranstaltern an diesem Tag nicht möglich war, nämlich der unvorhergesehenen Debattierlust des Publikums sowie dem dringlichen Klärungswillen mehr Raum zu geben, wird gewiss demnächst einmal stattfinden. Mittelbar ging es schließlich stets um so grundsätzliche Fragen wie die nach der Gewichtung von Stadt- (oder Stadtperipherie-) vs. Landversorgung – wo „Frauen ihre Haare verlieren, weil sie so viele Kilometer mit schweren Wasserkanistern zurücklegen müssen“ – oder der praktisch zweckmäßigen Definition von Armut sowie Bewertung generell: Zugangsproblem vs. Einkommensfrage, in der Stadt oder auf dem Land.
Mit Pater Henriot nach Konferenz für in ein paar Wochen verabredet, wenn ich richtig in Solwezi angekommen sein werde.
(Sein neue working paper über NEPAD und APRM: „Is Good Governance Possible in Zambia? Churches and CSOs and the APRM process“ ist übrigens sehr lesenswert, passend zum Programm „Good Governance“. Hope it will make a difference. Henriot und sein Jesuit Center for Theological Reflection gelten hier zu Recht überhaupt als eine der wichtigsten intellekt.spirit. Kräfte…www.jctr.org.zm)

24.4.07
Rückfahrt von Solwezi nach Lusaka per Linienbus. Im Nordwesten halten sich, hat es den Anschein, zahlreiche Inder auf. Viele Geschäfte der Provinzhauptstadt sind in indischer Hand. Die beiden indischen Schwestern (Diakonie) neben mir im Bus unterrichten gehörlose Kinder in Ikelenge, im äußersten nordwestlichen Zipfel des Landes. Regina sagt, dass sie in Indien für gewöhnlich Taubstummen sehr früh zwar rudimentär, aber grob verständlich zu sprechen beibrächten – das sei in Zambia wie im Westen unüblich, weshalb sich ihre Schule mit der internationalen Gebärdensprache begnüge.
Mehrmals steigt unterwegs ein Busprediger zu, um aus der Bibel zu lesen, zu beten, predigen und schließlich Kollekte einzusammeln oder „heilige Bücher“ (etwa „Telephone to God“) zu verkaufen. Er steht immer ausgerechnet neben unserer Sitzreihe, was vor allem wegen der Lautstärke und Heftigkeit seiner Predigt das Reisevergnügen irgendwann einschränkt. Erleichtert merke ich, dass auch die Schwestern die Busbeter zu ignorieren suchen.
Diese Woche läuft im Theater ein bemerkenswertes Festival freier Theatergruppen, das wir abends besuchen. Hauptsächlich junge Schauspielbegeisterte treffen sich alle zwei Jahre zu diesem happening – das am letzten Abend sogar im zambischen Staatsfernsehen übertragen werden sollte (samt singendem Expräsidenten Kaunda als Überraschungshöhepunkt, wie ich später höre). Leider verstehen wir überhaupt keinen Dialog des zweiten Stücks, wissen nichtmals, in welcher Landessprache es spielt. Als Gutmachung bekommen wir beim Rausgehen Freikarten für den übernächsten Abend.

22.4.07
Marie und Jeff, die erst einige Tage zuvor eingetroffenen neuen Hotelmanager des „Royal Solwezi“ erzählen beim Frühstück, wie schier unmöglich ihnen hier alles Management erscheine – preisen jedoch im selben Atemzug die ungeheure Lerngeschwindigkeit sowie Bereitschaft ihres Personals. Sie hegen hohe Ambitionen, nicht unsympathisch. Weil sie eine riesige Menge Erfahrung mitbringen, ist ihnen einiges zuzutrauen.
Jeff spießt schwungvoll eine Wurst auf seine Gabel. Er hat an diesem Sonntag schon vor 6 Uhr zu arbeiten begonnen, und sein Appetit ist unverkennbar. Eigentlich Pilot von Beruf, wechselte er schon häufig den Job. Auch Bauleitung gehörte bereits dazu. Jeff zeigt später den Rohbau des Konferenzgebäudes und erklärt stolz, welche Fortschritte innerhalb bloß einer Woche erreicht worden seien. Schon übernächstes Wochenende soll der Saal für eine Hochzeit genutzt werden. Halb im Scherz, ersinnen wir künftige Nutzungsmöglichkeiten für den neuen Veranstaltungskomplex.
Marie erzählt von ihrer Tochter, die Afrika-Reportagen für die BBC produziert, meistens Katastrophenberichte. Leider sei sie ja nun weit weg, und ohne Kriegsausbruch wäre es schwer, sie hierher zu ködern. Überhaupt sei die 32-Jährige eher eine Einzelgängerin, eigensinnig und dickköpfig. Die Mutter hat ein Faible für Umwelt und Natur. Ihr missfällt es, der größte Wasserkonsument der Provinz zu sein. Wir diskutieren Versorgungseffizienz und regenerative Energien, Solar & Co.

21.4.07
Während der Nacht hörte ich Trommeln und lautstark Gesang, nicht weit entfernt vom Hotel.
Morgens Jogging durchs wunderschöne Busch-Umland von Solwezi. Der Kongo bestimmt das Klima im Nord-Westen, es ist hier viel kontrastreicher als etwa in Lusaka. Auf einem ca. 1.400 Meter hohen Bergrücken gelegen, wird die Stadtregion jedoch gut durchlüftet.
Im Laufen beobachte ich sonst noch nie gesehene Begrüßungsriten: Die sich blitzschnell vor dem älteren Mann auf die Knie werfende Frau, dabei die Hände klatschend; immer wieder die zum Gruß aufs Herz klopfende Faust usw.
Stadt und Land stoßen hier unvermittelt aufeinander, die Gegensätze sind hart. Binnen weniger Jahre hat sich die Stadtbevölkerung verdoppelt, zumeist vom Boom der Kupferminen angelockt. Bin gespannt, was mich hier erwartet während der kommenden Jahre.
Kurz vor Sonnenuntergang steigt eine dichte Qualmwolke hinter dem Gartenzaun des Hotelareals auf, wie ich vom Balkon aus sehe. Ich denke, es müsse sich um ein Hausbrand handeln. Erfahre später, dass es sich um eine der regelmäßigen DDT-Freisetzungen handelte – die nicht nur in Zambia auf Empfehlung der WHO zur Malaria-Prophylaxe erneut eingeführt worden seien.

20.4.07
Nachdem eine letzte, weitere Hausbesichtigung damit endet, bloß die bisherigen Mieter in Angst zu versetzen, die angeblich überhaupt nichts von einem bevorstehenden Mieterwechsel wissen, fällt die Wahl schließlich auf Mrs. B.`s Haus im Stadtteil Low Density. Hoffe stark, dass es damit klappt.
Nachmittags erstes Treffen mit der Provincial Coordinator (kurz PC genannt) von CSPR in Solwezi: Bin sicher, dass diese neue Kollegin ein Glücksfall für alle ist.

19.4.07
Auf Haussuche, praktisch den gesamten Tag lang. Besichtigen mindestens 10 Häuser: in unterschiedlichstem Zustand und verschiedenster Lage. Wie uns fortwährend Leute spontan weiterhelfen und weiter vermitteln zu immer neuen Häusern bzw. landlords und landladies, ohne dabei auf die Uhr zu gucken oder etwas Bestimmtes von uns zu erwarten, beeindruckt ungemein. Grace zeigt uns allein vier Objekte von verschiedenen Freundinnen und Bekannten; Mrs. Rose, Mr. Nyirenda, ein Angestellter der Kupfermine und viele Andere helfen weiter. Zwischendurch sagen wir kurz hallo im Provinz-Büro von CSPR, wo ich ab Mai arbeiten werde, dann gehen die Erkundungen weiter.
Spätnachmittags – zur Zeit des „Sundowners“, zwischen 5 und 6 Uhr – stellt sich das Gefühl ein, auf alle Fälle genug gesehen zu haben. Die DED-Kollegen vor Ort kümmern sich prächtig.

18.4.07
Autofahrt von Lusaka nach Solwezi führt durch den Copperbelt, die Bergbau- und wichtige Industrieregion Zambias. Daher sind die Straßen in einem verhältnismäßig hervorragenden Zustand. Immer wieder das Bild: Afrika, ein ganzer Kontinent ist auf den Beinen. Zahllose Frauen in bunten Chitengis, auf dem Kopf Lasten tragend, im Rückentuch das Kind. Mehr und mehr Fahrräder kommen endlich auf. Fahrer F. hat viel Übung, braust flott über die Piste. Mittagspause bei einem Kollegen in Kitwe, der dort mit den Gewerkschaften kooperieren will.
Angekommen in Solwezi, zuerst eine Stadtbesichtigung zum Thema Wasser – dem Arbeitsbereich Theos, der uns umher fährt: Die Wasserkioske in den compounds bekommen wir ebenso erklärt wie das Klärwerk am Solwezifluss (wie ich tags zuvor erfuhr, können in ganz Zambia bis heute keine genauen Wasseranalysen durchgeführt werden, was ein kaum verständlicher Mangel ist, wenn wir uns Umfang und Dauer der deutschen Tätigkeiten im Wasserbereich vergegenwärtigen). Am Wasserthema wird deutlich, was es heißt, verschiedene Nachhaltigkeitsaspekte unter einen Hut bringen zu wollen: Dass sowohl Aufbereitung als auch Entsorgung eine ökologische Seite haben, liegt auf der Hand; schwierig erscheint vor allem, Wirtschaftlichkeit und soziale Bedarfsdeckung auszubalancieren.
Schnell ist zu bemerken, dass sich hier weitaus weniger Weiße aufhalten: „Musungu, Musungu!“ („Fremde, Weiße!“), rufen uns gleich am ersten Wasserkiosk („No. 27“) neugierige Kinder und Marktfrauen aus allen Richtungen entgegen. Die ungewohnte, übermäßige Beachtung strengt sehr an. Quasi zur Erholung machen wir einen Abstecher zum touristischen „Royal Solwezi“, dem neuen Ersteklassehotel.

13.4.07
Vorstellungsbesuch in der deutschen Botschaft.

10.4.07
Gleich auf meiner ersten Überlandfahrt heftig verfahren: Wenn man von Lusaka nach Monze will, muss man nach Überqueren des Kafue rechts nach Süden abbiegen – statt geradeaus weiterzufahren. Bald beginnt Richtung Osten eine kurvige Gebirgsstrecke, nur dünn besiedelt (von kleinen traditionellen Hüttendörfern, die wie im Freiluftmuseum aussehen), über weite Distanzen von provisorischen Umleitungen unterbrochen, nirgendwo Straßenmarkierungen oder Wegweiser. Es wird rasch unübersichtlich, und Baustellen und Lastzugverkehr nehmen einen auf dieser Strecke voll in Anspruch. Vor lauter Staubwolken ist ohnehin oftmals kaum etwas zu erkennen; Telefonnetz gibt es keines mehr. Erst hinter „Fossil Forest“, vier Kilometer vor Simbabwe, realisierte ich mein Verfahren. Zum Glück ohne Termindruck, machte mich nur die Auskunft eines Polizeipostens nervös, dass in Chirundu allenfalls noch an irgendeinem Marktstand ein paar Liter Diesel zu kaufen seien – wo, wisse er aber auch nicht. Ich riskierte lieber die Rückfahrt mit zweidrittel leerem Tank, als Stunden in einem ganz und gar unwirtlichen Grenzstädtchen zuzubringen. Sprit reichte dann wirklich, und die Landschaft macht den Zeitverlust mehr als wett.

Besonders im März, April zeigen sich die Provinzen Zambias in üppigen Grün; zeugen selbst in abgelegenen Berggegenden Blüten und Früchte vom Überfluss der natürlichen Lebensgrundlagen; eine enorme Vielfalt an Tieren wie Pflanzen lässt sich erkennen, und vor allen Dingen fällt immer wieder der Wasserreichtum auf: Angesichts von Strömen und Seen muss man sich geradezu wundern über Zambias Armut.

8.4.07

5.4.07
Motto „60er Jahre“ – „does it make a difference?“
Eine Farewell Party der international community von Lusaka: Man kennt sich. Verschiedene Hilfsorganisationsmitglieder, IWF-, UN-Mitarbeiter, ausländische freelancer, einige Einheimische aus dem Kulturbereich, Botschaftsleute usw. üben – teils kostümiert – feinsten small talk rund ums swimming pool. Cocktailbar ist geradezu überbordend bestückt. Stimmung steigt, Musik wird langsamer lauter. Sehr wenige sind erste neu angekommen. Ich tausche so blödsinnig Handynummern aus, dass ich am nächsten Morgen kaum mehr welche zuordnen kann.
Eine Zambierin von hier und ein Zambier aus der Südprovinz – beide irgendwie in Sachen Entwicklungszusammenarbeit tätig – unterhalten sich offen über unsinnige Seiten der internationalen Interventionen: Lauter Dopplungen von Geldflüssen und Projekten, keiner weiß, was der Andere nebenan tut; Ignoranz sogar am selben Ort; stets beschäftigt mit „just another workshop“. „Statt dass sie wirklich die normalen Leute und communities erreichen und unterstützen!“, meint der zambische IWF-Mann vom Süden, wo er selbst aber auch eher abstrakt Curriculaentwicklung über Umweltschutz betreibt.
Die Zambierin erzählt, welche Veränderungen ihr auffielen, nachdem sie von einem längerem Studienaufenthalt im Ausland zurückgekehrt war: Neue, südafrikanische, Malls („Arcade“, „Manda Hill“…), ausgebaute Hauptstadtstraßen, prächtige Hotels (InterConti). Zugenommen hätten vor allem die Gegensätze zu den armen Städtern in den compounds, also einfachen Behelfssiedlungen, deren Hütten oft weder Strom- noch Wasseranschlüsse haben; Abwasser- od. Müllentsorgung sowieso nicht. Die Kluft verschärfe sich weiter.

2.4.07
Sehr elementar spiegeln Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit wider, wer Macht und Stimme hat – oder wer nicht das Sagen hat. Wie zu Kolonialzeiten sind die Bediensteten der Weißen quasi unsichtbar (wohnen auf Rückseite, hinter dem Garten usw.). Dass sie sich unsichtbar machen, wird offenbar erwartet.

1.4.07
„The real Africa“ – Authentizitäten
Zum Abendessen mit E. und einer Bekannten von ihr, die in der Nationalbank arbeitet, ins „Blue Bridge“, Cairoroad, eingeladen. Schima, das zambische Nationlgericht (Maismehlklösse), bleibt bis auf Weiteres gewöhnungsbedürft. Da man es traditionell mit den Fingern isst, scheiterte ich schon beim Händewaschen, und das Meiste schmeckt nach parfümierter Seife. Aber ansonsten bietet das versteckt hinter einer Disco (im 80er Stil) gelegene kleine Restaurant köstliche Fisch- & Fleischgerichte vom Grill.
Viele, die Südafrika bereist haben, sagen, zurecht heiße Zambias offizieller Landesslogan „The real Africa“. Es sei nicht so verwestlicht, europäisiert. Zufällig treffen wir später im Blue Bridge einen Kollegen von E.`s Bekannter. Als er hört, dass ich nach Solwezi gehen werde, schwärmt er sogleich, wie anders in jener Region das Leben sei – dort, das sei „the real Africa!“ Traditionelle Musik, Rituale, Tänze, Trommeln, die Feste und seine festen Familienbanden, er vermisse das alles sehr in Lusaka, wohin er halt des Job wegens gezogen sei. Begeistert zeigt er sodann unzählige Nummerneinträge auf seinem Handy: Lauter Onkels, Tanten und weitere Familienglieder aus Solwezi. Nichts gehe über die gegenseitige Unterstützung im Familienkreise, in dem alle für einander einständen, nähmen und geben, so, wie es gerade ginge und nötig sei. Stolz präsentiert er dann besonders den Frauen am Bistrotisch ein Bild seines Sohnes, bevor der das Handydisplay mit dem Foto küsst.
Nicht nur wegen der Geräuschkulisse wird die Verständigung nicht leichter. Zwar sprechen wir alle Englisch, doch die Worte meinen Verschiedenes. Der Banker aus dem nahen-fernen Distrikt Solwezi fragt E. bald, zu welchem tribe sie in Deutschland gehöre und welche Sprache er denn spreche. War es schon knifflig, die Frage zu verstehen, erschien es schließlich völlig ungewiss, ob die – und wenn ja, welche – Antworten genügten.

31.3.07
Land of the Unexpected
Könnerschaft oder Meisterschaft lassen sich hier bewundern, vielleicht auch abgucken, bei allem, was Umgang mit dem Unvorhersehbaren angeht. Ein durchweg für sich einnehmender Zug dieser Kultur, die hierin eine einzigartige Hochkultur entwickelt hat: Beispielsweise die Art und Weise, wie die versammelte Theatergemeinschaft auf den Rausgang einiger Zuschauerinnen und Besucher reagiert: Spontan geht die feierliche Abendversammlung in einen ausgelassenen Empfang über – die Ministerin hatte einfach sehr lange geredet – so verzichtete man eben auf das geplante Podiumsgespräch.
An „U Carmen“ erinnernd in seiner Qualität die Anverwandlung eines Ipsen-Stückses, dessen Produktion und landesweite Tournee die Norwegische Botschaft im Rahmen ihres Ipsen-Jahres gesponsert hatte. Aus ganz Zambia sind verschiedene Musik- sowie Tanzrichtungen aufgenommen und ins Spiel eingfügt worden. Thema gender trouble.

Einen Kommentar schreiben

Du mußt angemeldet sein, um kommentieren zu können.